Die Corona-Krise beeinflusst das gesamte öffentliche und nicht-öffentliche Leben. Im Folgenden möchte ich kurz einen Überblick über ausgewählte Entscheidungen einiger Gerichte geben. Diesen lag jeweils ein Streit zwischen Mieter und Vermieter als Parteien eines Geschäftsraummietverhältnisses über die Pflicht zur Mietzinszahlung zugrunde.
Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – Az. 5 O 66/20 – nicht rechtskräftig
Die Zahlungspflicht des Mieters bleibt trotz wegen der Coronaverordnung erfolgten Anordnung der Filialschließung bestehen. Es liegt kein Mangel der Mietsache vor, da die corona-bedingte Schließung der Geschäftsräume die Nutzungstätigkeit des Mieters, nicht aber die Gebrauchsverschaffungspflicht des Vermieters betrifft. Ein Fall der Vertragsanpassung liegt nicht vor, da der Mieter insoweit zumindest eine Existenzgefährdung oder vergleichbare unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung darlegen und nachweisen muss, was er im konkreten Fall nicht tat.
Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.10.2020 – Az. 2- 15 O 23/20 – nicht rechtskräftig
Gewerberaummiete bleibt auch während corona-bedingter Schließung geschuldet. Es liegt kein Sachmangel vor, da die hoheitlichen Maßnahmen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen, sondern der Publikumsverkehr beschränkt wird, weshalb eine Minderung ausscheidet. Es liegt auch kein Fall von Unmöglichkeit vor, da alleine der Mieter das Verwendungsrisiko trägt. Die zeitlich befristete Schließung begründet keine existentiell unzumutbare Situation, weshalb eine Anpassung des Mietzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausscheidet.
Landgericht Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 – Az. HK O 17/20 – nicht rechtskräftig
Der gewerbliche Mieter ist zur Weiterzahlung des Mietzinses im Zeitraum, in dem er das Geschäftslokal auf behördliche Anordnung schließen musste, verpflichtet. Die Voraussetzungen für den Entfall oder eine Herabsetzung der Miete sind nicht erfüllt. Die Schließung begründet weder einen Mangel der Mietsache noch eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung durch den Vermieter vor. Eine Störung der Geschäftsgrundlage käme in Betracht, wenn der Mieter eine ernsthafte Existenzgefährdung dartun und beweisen kann
Landgericht München II, Urteil vom 22.09.2020 – Az. 13 O 1657/20 – nicht rechtkräftig
Die Schließung des Ladengeschäfts wegen corona-bedingter Allgemeinverfügung führt weder zu einem Mangel der Mietsache noch zu einer Unmöglichkeit. Eine Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist nicht möglich, da Art. 240 § 2 EGBGB insoweit eine gesetzliche Sperrwirkung entfaltet, soweit es um Reduzierung oder Stundung von Miete geht
Landgericht München I, Urteil vom 05.10.2020 – Az. 34 O 6013/20 – nicht rechtskräftig
Kann der gewerbliche Mieter infolge einer Allgemeinverfügung wegen der Corona-Krise sein Geschäft nicht ausüben, kann er gegenüber einer Zahlungsklage des Vermieters auf rückständigen Mietzins eine Anpassung des Mietzinses einwenden. Es ist angesichts der Risikoverteilung angebracht, das Risiko solidarisch hälftig zu teilen
Landgericht München II, Urteil vom 06.10.2020 – Az. 13 O 2044/20 – nicht rechtskräftig
Sind gewerbliche Mieter während des ersten Lockdowns von Betriebsschließungen betroffen, ist dennoch die volle Miete geschuldet. Unter keinem Rechtsgrund besteht ein Anspruch auf Reduzierung der Miete
Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020 – Az. 12 O 154/20 – nicht rechtskräftig
Behördliche Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie rechtfertigen keine Mietminderung, da sie keinen Mietmangel darstellen. Es besteht ein Anpassungsrecht, denn die Pandemie bedeutet eine schwere, unzumutbare Störung des Vertragsverhältnisses. Dieses Risiko liegt im gleichen Maße außerhalb der Sphären von Mietern und Vermietern. Daher ist eine Verteilung des Risikos von je 50% auf die Mietvertragsparteien gerechtfertigt. Somit ist der Mietzahlungsanspruch auf 50% reduziert
Amtsgericht Köln, Urteil vom 04.11.2020 – Az. 206 C 76/20 – nicht rechtskräftig
Da die behördliche Anordnung der Schließung eines Geschäftslokals nicht in der Beschaffenheit der Mietsache, sondern in der Art der Nutzung ihre Ursache hat, scheidet ein Mietmangel aus. Der Mieter hat auch keinen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses nach dem Grundsatz vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies setze eine existenzielle Notlage voraus, die zumindest dargelegt werden müsse
Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 05.11.2020 – Az. 9 O 852/20 – nicht rechtskräftig
Eine corona-bedingte angeordnete Geschäftsschließung bedeutet keinen Mangel der Mietsache. Der Mieter kann auch keine Anpassung des Vertrages aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen, wenn er keine existentielle Not darlegt
Amtsgericht Pinneberg, Urteil vom 17.11.2020 – Az. 81 C 18/20 – nicht rechtskräftig
Die zeitweise Schließung von Gaststätten bewirkt eine Gebrauchsbeschränkung, die sich unmittelbar auf den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck auswirkt, wodurch schließlich die Tauglicheit der Mietsache zum vertragsgemäßen Verbrauch aufgehoben ist. Es liegt somit ein Mangel vor. Die Miete ist auf 0 reduziert
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020 – Az. 11 O 215/20 – nicht rechtskräftig
Die corona-bedingte Geschäftsschließung ist kein Mangel der Mietsache. Kann der Mieter keine Existenznot darlegen und beweisen, muss der Mietzins auch nicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden
Landgericht Kempten, Urteil vom 07.12.2020 – Az. 23 O 753/20 – nicht rechtskräftig
Staatliche Corona-Auflagen stellen einen Mietmangel dar, wenn sie den Mieter zur Schließung des Geschäfts verpflichten. Da weder der Mieter noch der Vermieter das Risiko, das sich in einem staatlich angeordneten Lockdown verwirklicht hat, zugeschrieben werden kann, ist eine Minderung der Miete in Höhe von 50% gerechtfertigt
Oberlandesgericht München, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – Az. 32 U 6358/20 (Vorinstanz Landgericht München II, Urteil vom 06.10.2020 – Az. 13 O 2044/20, siehe oben)
Die pandemiebedingte Betriebsuntersagung vom 18.03.2020 bis zum 27.04.2020 führte nicht zu einem Mangel der Mietsache und begründet keinen Fall der Unmöglichkeit. Eine Anpassung des Mietvertrages im Hinblick auf die pandemiebedingte Einschränkung des Geschäftsbetriebs ist grundsätzlich möglich, ist aber auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Mietzahlung für den Mieter aus wirtschaftlichen Gründen untragbar ist
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – Az. 7 U 109/20 – nicht rechtskräftig (Vorinstanz Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – Az. 5 O 66/20, siehe oben)
Geschäftsraummieter, insbesondere große Handelsketten, bleiben während der pandemiebedingte Schließung in aller Regel verpflichtet, den vereinbarten Mietzins auch für die Zeit der Schließung zu zahlen. Eine Anpassung des Vertrages ist nicht ausgeschlossen, jedoch stellt dies hohe Anforderungen an die Darlegungslast des gewerblichen Mieters, der zumindest eine einer Existenzgefährdung nahekommenden unzumutbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung darlegen und beweisen muss. Allein der Hinweis auf Umsatzausfälle reicht insoweit nicht aus.
Kurze Anmerkung
Die Gerichte, die einen die Miete mindernden Mangel durch behördlich verfügte Schließung bejahen, sind deutlich in der Minderheit.
Interessensgerecht – weil „gerechter“ – erscheint mir, diese Konflikte über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu lösen. Die Anforderungen, die die Gerichte insoweit an den Mieter stellen sind sehr hoch. Soweit ich es sehe, bezogen sich alle Sachverhalte auf den 1. Lockdown. Womöglich wird es den Mietern bei nachfolgenden Anordnungen und fortdauernden Schließungen weniger schwer fallen, eine existentielle Not darzulegen.
Das Thema um die Auswirkungen der Schließungen infolge der Corona-Pandemie auf die Pflicht zur Zahlung des Mietzinses wird die Gerichte voraussichtlich noch länger beschäftigen. Es ist zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof die Möglichkeit bekommt, sich mit dem Thema zu befassen und dann eine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt wird.
Alternativ können die Parteien eines Mietverhältnisses über Gewerberaum versuchen, sich außergerichtlich zu verständigen. Gelingt dies, ist es häufig der schnellere und kostengünstigere Weg, zwischen den Vertragsparteien den Rechtsfrieden herzustellen. Ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt eine solche Einigung bei den unterschiedlichen Interessenslagen erzielt werden kann, ist Verhandlungssache und setzt eine Bereitschaft zur Verständigung voraus.
(Rechtsanwalt Hans-Peter Weber, veröffentlicht am 07.04.2021)